Der Kalkbrennofen vom Dillberg
Zwischen Wald und Steinbruch, verborgen im Grün des Dillbergs, liegt ein faszinierendes Stück Handwerksgeschichte: die Kalkbrennerei. Über Jahrhunderte hinweg wurde hier Kalk gebrannt – ein unverzichtbarer Baustoff, der Mauern verband, Kirchen schützte und Felder fruchtbar machte.
Heute erinnert der historische Kalkofen in Hausheim an diese längst vergangene Technik – ein stiller Zeitzeuge, freigelegt und behutsam gesichert, der uns einen Einblick in das harte, aber findige Leben früherer Generationen schenkt.
Die Geschichte des Kalkbrennens
Von einfachen Feldöfen bis zur industriellen Verarbeitung – die Geschichte des Kalkbrennens ist eng verbunden mit der Entwicklung von Siedlungen, Infrastruktur und Landwirtschaft.
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Ursprung und geschichtliche Entwicklung
Das Kalkbrennen zählt zu den ältesten Handwerken der Menschheitsgeschichte. Bereits im Altertum war die Technik bekannt: Estrichartige Böden aus dem Tempel von Göbekli Tepe (Anatolien, ca. 11.000 Jahre alt) gelten als erste Zeugnisse. Auch in Ägypten und Mesopotamien wurde Kalk verwendet. Der griechische Philosoph Theophrast (372–287 v. Chr.) beschrieb bereits das Brennen von Kalk zu Branntkalk und die Herstellung von Kalkmörtel.
Die Römer perfektionierten die Technik und verbreiteten sie in Europa – Reste römischer Kalkbrennereien sind z. B. in Bad Münstereifel erhalten.Ihr berühmter „Römerbeton“ (opus caementitium) bestand u. a. aus Branntkalk, Vulkanasche und Ziegelmehl – eine Rezeptur, die bis heute beeindruckt. Im Mittelalter und der frühen Neuzeit war Kalk vor allem als Mörtel- und Putzmittel unverzichtbar. Bis ins 20. Jahrhundert hinein wurde in ganz Europa – auch in Postbauer-Heng – Kalk in einfachen Feldöfen gebrannt.
Kalkabbau und Brennöfen auf dem Dillberg
Der Dillberg im Weißjura-Gebiet war reich an Kalksteinvorkommen – ein wertvoller Rohstoff für den Hausbau und die Landwirtschaft. Alte Karten (k. b. Urkataster) belegen mehrere Steinbrüche mit kleinen Rundmarkierungen, die auf Kalköfen hinweisen. Auch Flurnamen wie „Im Branden“ deuten auf historische Kalkbrennplätze hin.
Ein besonders gut dokumentierter Ofen befindet sich in einem Steinbruch bei Hausheim. Er wurde um 1850 errichtet, 1926 erneut aktiviert, jedoch bereits vor dem Zweiten Weltkrieg stillgelegt. 1946 erneuerte Leonhard Rupprecht den Ofen in Eigeninitiative, um beim Wiederaufbau nach dem Krieg zu helfen – ein Symbol für Engagement und Aufbauwille. Kurze Zeit später wurde der Ofen endgültig außer Betrieb genommen.
Architektur und Funktionsweise eines Kalkofens
Ein typischer Feld-Kalkofen bestand aus einer trichterförmigen Brennkammer (2–4 m hoch, 6–25 m³ Volumen). Er wurde meist in einen Hang gebaut, sodass nur die Vorderseite mit Feuer- und Schüröffnung sichtbar war. Die Kalksteine wurden auf einem „Himmel“ über dem Feuerraum aufgeschichtet, damit die heiße Luft sie gleichmäßig erhitzen konnte.
Der Ofen musste auf über 1000 °C gebracht und drei bis vier Tage konstant befeuert werden. Nach dem Abkühlen wurde der gebrannte Kalk aussortiert – nur vollständig weißer Stein war nutzbar. Der Kalkofen bei Hausheim wurde nach jahrzehntelanger Vernachlässigung von den Bauhofmitarbeitern der Gemeinden Postbauer-Heng und Berg wieder freigelegt und mit einem schützenden Dach versehen.
Der Kalkkreislauf – Vom Stein zum Baustoff
- Brennen: Kalkstein (CaCO₃) wird im Ofen bei über 1000 °C zu Branntkalk (CaO).
- Löschen: Zugabe von Wasser erzeugt unter Hitzeentwicklung Löschkalk (Ca(OH)₂).
- Abbinden: Durch CO₂-Aufnahme erhärtet der Löschkalk wieder zu Kalkstein – ideal für Mörtel und Anstriche.
Verwendung von Kalk – Damals und heute
Früher wurde Kalk vielfältig eingesetzt:
- Bauwesen: als Mörtel, Putz und Tünche (z. B. beim Bau des Ludwig-Donau-Main-Kanals, 1836–1846)
- Landwirtschaft: zur Bodenverbesserung und als Frostschutz
- Desinfektion: in Viehställen und zur Seucheneindämmung
- Obstbau: zum Schutz vor Schädlingen
- Industrie: u. a. in der Glas- und Eisenverarbeitung
Vom Handwerk zur Industrie – Das Ende der Feldöfen
Mit der industriellen Entwicklung wurden größere, effizientere Öfen (z. B. Ring-, Schacht- oder Drehrohröfen) eingeführt. Diese lieferten gleichbleibend hohe Qualität, erforderten aber Kohle als Brennstoff – mit negativen Folgen für Umwelt und Kalkgüte. Die Herstellung wurde wirtschaftlicher, doch das alte Handwerk verschwand.
Heute erinnert der historische Kalkofen am Dillberg an diese Zeit – ein stilles Zeugnis der regionalen Handwerkskunst, eingebettet in die Natur.
Die Bauhofarbeiter der Marktgemeinde Postbauer-Heng machten den Platz um den Kalkofen wieder zugänglich.
